Propranolol gegen Angst und Panikattacken
Umfassender Leitfaden zu Propranolol: Wirkung, Dosierung, Nebenwirkungen und Anwendung bei Angststörungen.
Propranolol - Der bewährte Betablocker
Propranolol ist ein nicht-selektiver Betablocker, der seit den 1960er Jahren erfolgreich bei körperlichen Angstsymptomen eingesetzt wird. Im Gegensatz zu anderen Angstmedikamenten wirkt Propranolol primär auf die körperlichen Manifestationen der Angst, ohne direkt auf das zentrale Nervensystem einzuwirken.
Propranolol auf einen Blick
Wirkstoffklasse
Nicht-selektiver Betablocker
Hauptindikation
Körperliche Angstsymptome
Wirkungseintritt
30-60 Minuten
Wirkdauer
4-6 Stunden
Wirkmechanismus bei Angststörungen
Blockade der Beta-Rezeptoren
Propranolol blockiert Beta-1- und Beta-2-Adrenozeptoren und verhindert so die Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin auf Herz, Blutgefäße und andere Organe.
Betroffene Symptome:
- • Herzrasen (Tachykardie)
- • Zittern (Tremor)
- • Schwitzen
- • Blutdruckanstieg
Klinische Effekte
- Herz-Kreislauf: Verlangsamung der Herzfrequenz, Senkung des Blutdrucks
- Muskulär: Reduktion des Muskelzitterns
- Vegetativ: Verminderung der Schweißproduktion
- Psychologisch: Indirekt beruhigend durch Symptomkontrolle
Dosierung und Anwendung
Akute Situationsangst (Bedarfsmedikation)
Standard-Dosierung:
- • Leichte Angst: 10-20 mg
- • Mittlere Angst: 20-40 mg
- • Schwere Angst: 40-80 mg
- • Einnahme: 30-60 Min vor Ereignis
Typische Anwendungen:
- • Vorträge und Präsentationen
- • Prüfungsangst
- • Vorstellungsgespräche
- • Soziale Situationen
- • Auftritte (Musiker, Schauspieler)
Dauertherapie bei generalisierten Angststörungen
Dosierungsschema:
- • Start: 10 mg 2-3x täglich
- • Steigerung: +10 mg alle 3 Tage
- • Zieldosis: 80-160 mg täglich
- • Maximum: 320 mg täglich
- • Aufteilung: 2-4 Einzeldosen
Retardformen verfügbar:
- • Propranolol LA: 80-160 mg 1x täglich
- • Gleichmäßigere Wirkung
- • Bessere Compliance
- • Weniger Dosierungen nötig
Indikationen und Einsatzgebiete
Zugelassene Indikationen
- • Bluthochdruck
- • Koronare Herzkrankheit
- • Herzrhythmusstörungen
- • Migräneprophylaxe
- • Hyperthyreose
Off-Label bei Angst
- • Situationsangst/Lampenfieber
- • Soziale Phobie
- • Generalisierte Angststörung
- • Panikattacken (symptomatisch)
- • PTSD (Symptomkontrolle)
Besondere Einsatzgebiete
- • Bühnenphobie bei Musikern
- • Prüfungsangst
- • Tremor bei Parkinson
- • Akute Schilddrüsenkrise
Nebenwirkungen und Verträglichkeit
Häufige Nebenwirkungen (>10%)
Herz-Kreislauf:
- • Bradykardie (15%)
- • Hypotonie (12%)
- • Kalte Hände/Füße (20%)
Zentralnervös:
- • Müdigkeit (18%)
- • Schwindel (14%)
- • Schlafstörungen (10%)
Sonstige:
- • Übelkeit (8%)
- • Verstopfung (6%)
- • Verminderte Libido (5%)
Seltene aber schwere Nebenwirkungen
- • Bronchospasmus bei Asthmatikern
- • Maskierung von Hypoglykämie-Symptomen
- • Verstärkung peripherer Durchblutungsstörungen
- • Depression (selten)
- • Vivide Träume/Alpträume
- • Halluzinationen (sehr selten)
- • Psoriasis-Exazerbation
- • Rebound-Hypertonie bei Absetzen
Absolute und relative Kontraindikationen
⚠️ Absolute Kontraindikationen
- • Asthma bronchiale
- • COPD mit Bronchospasmus
- • Sick-Sinus-Syndrom
- • AV-Block II°-III°
- • Dekompensierte Herzinsuffizienz
- • Kardiogener Schock
- • Schwere periphere Durchblutungsstörungen
- • Unbehandeltes Phäochromozytom
- • Metabolische Azidose
Relative Kontraindikationen
- • Diabetes mellitus (Hypoglykämie-Maskierung)
- • Hyperthyreose (Symptom-Maskierung)
- • Depression in der Anamnese
- • Prinzmetal-Angina
- • Raynaud-Syndrom
- • Leichte Herzinsuffizienz
- • AV-Block I°
- • Alter >65 Jahre (Vorsicht)
Wichtige Wechselwirkungen
Medikament/Gruppe | Wechselwirkung | Klinische Relevanz | Management |
---|---|---|---|
Kalziumantagonisten | Verstärkte Blutdrucksenkung | Hoch | Dosisanpassung |
Insulin/Antidiabetika | Maskierung Hypoglykämie | Mittel | BZ-Monitoring |
Anästhetika | Verstärkte Myokard-Depression | Hoch | Anästhesist informieren |
MAO-Hemmer | Hypertensive Krise möglich | Hoch | Kombination vermeiden |
Deutsche Verschreibungspraxis und Leitlinien
S3-Leitlinie Angststörungen (2021)
Empfehlung für Propranolol
"Betablocker können bei spezifischen Phobien (z.B. Situationsangst) als symptomatische Behandlung eingesetzt werden. Evidenzgrad B, Empfehlungsgrad 0."
Off-Label Use
Verschreibung außerhalb der Zulassung bei Angststörungen ist häufig und wird von Fachgesellschaften toleriert. Aufklärung des Patienten erforderlich.
Kostenübernahme
Als generisches Medikament vollständig erstattungsfähig. Zuzahlung: 5-10€ pro Packung je nach Dosierung.
Vergleich: Propranolol vs. andere Angstmedikamente
Aspekt | Propranolol | SSRI | Benzodiazepine |
---|---|---|---|
Wirkungseintritt | 30-60 Min | 2-6 Wochen | 15-30 Min |
Abhängigkeitsrisiko | Niedrig | Niedrig | Hoch |
Hauptwirkung | Körperliche Symptome | Psychische Symptome | Gesamt-Anxiolyse |
Bedarfsmedikation | Gut geeignet | Ungeeignet | Bedingt geeignet |
Kosten/Monat | 8-15€ | 15-25€ | 10-20€ |
Patientenerfahrungen mit Propranolol
Thomas, 26 - Musiker
Anwendung: 2 Jahre bei Bedarf"40 mg Propranolol 1 Stunde vor Auftritten - ein Lebensretter! Kein Herzrasen oder Zittern mehr. Spiele viel entspannter, bin aber mental vollkommen klar. Nur anfangs leicht müde, aber das hat sich gegeben."
Sandra, 34 - Lehrerin
Anwendung: Bei Prüfungen/Vorträgen"Nehme 20 mg vor wichtigen Terminen. Früher Schweißausbrüche und Herzrasen bei Präsentationen - jetzt völlig ruhig. Denken bleibt scharf, nur der Körper wird ruhiger. Perfekt für meine Bedürfnisse."
Michael, 45 - Manager
Anwendung: Dauertherapie 6 Monate"80 mg täglich bei generalisierter Angststörung. Körperliche Symptome deutlich besser, kombiniere mit Sertralin. Wichtig war langsame Eindosierung - anfangs sehr müde. Jetzt gute Balance."
Praktische Anwendungstipps
Optimale Anwendung von Propranolol
Bei Situationsangst:
- • Timing: 30-60 Min vor dem Ereignis
- • Testlauf: Vorher in entspannter Situation ausprobieren
- • Dosisfindung: Mit niedrigster Dosis beginnen
- • Regelmäßigkeit: Nicht täglich, nur bei Bedarf
Bei Dauertherapie:
- • Eindosierung: Langsam über 1-2 Wochen steigern
- • Kontrollen: RR und Puls regelmäßig messen
- • Absetzen: Niemals abrupt, immer ausschleichen
- • Kombination: Oft mit SSRI/SNRI kombinierbar
Monitoring und Laborkontrollen
Vor Therapiebeginn:
- • EKG (bei Herzerkrankungen)
- • Blutdruck und Herzfrequenz
- • Lungenfunktionstest (bei respiratorischen Symptomen)
- • BZ-Werte (bei Diabetikern)
- • Schilddrüsenwerte (TSH, fT3, fT4)
Während der Therapie:
- • Wöchentliche RR-Kontrolle (erste 4 Wochen)
- • Monatliche Kontrollen danach
- • Bei Diabetikern: engmaschige BZ-Kontrolle
- • Symptom-Monitoring (Müdigkeit, Schwindel)
- • EKG bei Dosisänderungen >160 mg/Tag
Wichtiger Hinweis
Diese Informationen ersetzen keine professionelle medizinische Beratung. Bei anhaltenden Beschwerden suchen Sie bitte einen Arzt oder Psychotherapeuten auf.